Die Arbeitsmoral im Sterbebett-Test.

„Die heutige Arbeitsmoral ist nicht mehr das, was sie einmal war“ hört man immer wieder. Unter Arbeitsmoral wird dabei landläufig verstanden, sich am Arbeitsplatz um eine gute Leistung zu bemühen.

Brauchen wir Moral um zu arbeiten?

Die Motivation der MitarbeiterInnen zeigt sich angeblich in deren Produktivität. Leistung zu erbringen ist in unserer Gesellschaft ein beinahe allgemeingültiger Wert. Dazu gehört ein Streben nach Wachstum und Erfolg. Will man diesem Streben nicht nachkommen, sich also dem Diktat der Leistung nicht unterwerfen, wird einem rasch ein Mangel an Arbeitsmoral unterstellt. Dabei kommen nicht selten Neid und Missgunst derer ins Spiel, die sich dem Leistungsdenken nicht entziehen wollen oder können.

Arbeitsmoral zu haben ist also auch ein Wert. Und der Begriff Arbeitsmoral bezieht sich dabei vorrangig auf Arbeitnehmer. Einem Arbeitgeber wenig oder keine Arbeitsmoral zu unterstellen kommt selten bis gar nicht vor. Interessanter Aspekt.

Brauchen wir also eine Moral um zu arbeiten, um produktiv zu sein? Oder hat Arbeitsmoral mehr damit zu tun, sich selbst und seine Leistung zu messen und im Vergleich mit anderen zu bestehen?

Im Grunde hat eine hohe Arbeitsmoral nicht zwangsläufig mit einer guten Leistung zu tun. Sie ist nicht output-orientiert, sondern input-orientiert. Sie ist eine gesellschaftliche Messlatte, die bewertet, wie sich jemand in unserer Leistungsgesellschaft verhält. Was Arbeitsmoral bedeutet wird von einer Gesellschaft definiert und zu einem Wert erhoben, dem das Individuum idealerweise zu folgen hat.

Warum tun wir überhaupt etwas?

Motivation ist die Antwort. Und dabei handelt es sich nicht um die finanzielle Karotte, die einem Menschen vor die Nase gehängt wird. Es geht vielmehr um die intrinsische Motivation als persönlicher, individueller Antreiber, etwas zu erschaffen. Motivation von außen ist meist manipulativ und hat einen Zweck. Studien belegen, dass externe Faktoren selten zur Motivation und Steigerung der Arbeitsmoral beitragen, so auch Prämiensysteme oder Incentives. Motivation muss von innen kommen. Was ist also unser persönlicher Treiber für eine Leistung? Die meisten Menschen wollen etwas tun und wollen ihre Energie nutzen, um etwas zu erschaffen, um etwas zu bewegen.

Dort wo Arbeit keine Freude und Erfüllung mehr bringt, dort wo Menschen ausgenutzt werden, wo Systeme krankmachende (Arbeits-)Strukturen vorgeben, wo den Menschen aufgrund von unrealistischen Zielen die Freude an der Arbeit verloren gegangen ist, dort wird von Arbeitsmoral gesprochen. Überall sonst hat dieses Wort keine Bedeutung. Denn dort, wo gerne gearbeitet wird, braucht es auch keine „Moral“, dort gibt es Motivation.

War die Arbeitsmoral früher wirklich besser?

Vielleicht, aber in jedem Fall anders. Die Bewertung von Leistung, die Schnelllebigkeit und der für viele Menschen stattfindende Sinnverlust in der Arbeit haben eine Veränderung gebracht. Das, was früher wahrscheinlich besser war, war der Sinn, den die Menschen in ihrem Tun gesehen haben. Die Menschen hatten auch noch einen anderen Anspruch an Freizeit. Freizeit war damals keine Kompensation für eine unbefriedigende Arbeit. Work/ Life Balance somit kein Thema.

Ist Arbeitsmoral also nach wie vor wirklich ein so erstrebenswerter Wert? Geht es denn nicht vielmehr wieder darum, denn Sinn in seiner Arbeit zu finden und zu sehen um daraus intrinsisch motiviert zu werden?

Welche Aspekte unseres Arbeitslebens werden wir an seinem Sterbebett als wichtig Revue passieren lassen? Wahrscheinlich den Beitrag und den Sinn der durch die eigene Arbeit entstanden ist. Oder würdest du rückblickend deine Arbeitsmoral daran messen, an wie vielen Tagen du länger in der Arbeit geblieben bist oder ob du dich motiviert gezeigt hast, obwohl du es gar nicht warst?

 

Hier noch ein kurzer Youtube-Trailer über den Film Frohes Schaffen.

Fotocredit: fotolia/ turgaygundogdu

Wann macht ein Unternehmen Sinn?

Wann macht ein Unternehmen Sinn?
Diese Frage hatte ich am 9. April im Rahmen des Wiener Salons im Palais Eschenbach gestellt und durfte Gastgeberin dreier hochinteressanter Gesprächsrunden zu diesen Thema sein.

In der ersten Runde hinterfragte ein Teilnehmer, ob die Begriffe Unternehmen und Sinn überhaupt miteinander in Verbindung gebracht werden dürften. ‚Sinn‘ sei etwas zutiefst Menschliches, Existenzielles – verbunden mit Werten, reflektierten Gefühlen und Bedürfnissen. ‚Unternehmen‘ hingegen sei ein Begriff aus der Betriebswirtschaftslehre, wo die Begriffe Strategie oder Vision ihrem Platz hätten, jedoch nicht ‚Sinn‘. Muss oder kann ein Unternehmen überhaupt Sinn machen? Schließlich seien es die Mitarbeiter, die ihren ganz individuellen Sinn in ihrer Arbeit finden müssten.

In der zweiten Runde konzentrierte sich die Diskussion auf den Sinnbegriff an sich. Gibt es überhaupt einen allgemeinen Sinnbegriff? Wenn ja, dann im Sinne von Ausrichtung, Orientierung. Sinn hätte jedoch weniger mit Geld, mehr mit Glück zu tun. Er sei für jeden anders und verändere sich laufend, evtl. über Generationen. So hätte auch jedes Unternehmen einen unterschiedlichen Sinn.

In der dritten Runde wurde dann die gesellschaftliche, d.h. kollektive Perspektive einbezogen. Ein Unternehmen würde dann Sinn machen, wenn es einen Nutzen für einen Großteil der Gesellschaft liefert. Familienunternehmen hätten etwas Nährendes für die gesamte Familie, teils über Generationen hinweg. Aber auch andere Unternehmen böten Raum für Sinnbildung wenn der Ausgleich von Energie, d.h. Geben und Nehmen, für die Mitarbeiter stimmt, wenn die ‚Passung‘ stimmt, wenn eine nährende (Herzens-)Verbindung zwischen Unternehmen und Mitarbeiter besteht.

Eine systemisch-konstruktivistische Sichtweise bringt all diese Aspekte zusammen. Aus ihrer Sicht kann und muss ein Unternehmen sehr wohl Sinn machen, ja es ist sogar überlebensnotwendig für Unternehmen. Wenn wir individuellen Sinn ansehen als die Verbindung zwischen bestehenden Realitäten und laufenden Erfahrungen, die für individuelle Handlungsfähigkeit sorgt (Kognitionsbegriff u.a. von Krippendorf) und Unternehmen betrachten als soziale Systeme, die durch Kohärenz der individuellen Sinnbildungen seiner Mitglieder organisiert werden (Organisationstheorie u.a. von Weick, Tsoukas), dann wird klar, dass nur diejenigen Unternehmen nachhaltig funktionieren können, die für alle Mitarbeiter ausreichend Sinn machen. Diesen Sinn muss jeder für sich finden – und er muss ausreichend mit dem seiner Kollegen zusammenwirken, so dass ein gemeinsamer Sinn des Unternehmens, eine nährende Verbindung zwischen unternehmerischem Alltag und Mitarbeitern entstehen kann.

Werte, Reflektionen und Bedürfnisse der Menschen – nicht nur der Generation Y – ändern sich. Somit auch das, was für sie Sinn macht, eine nährende Verbindung ausmacht. Wie können wir nur denken, Unternehmen könnten weiter organisiert sein wie bisher?

Birgit Feldhusen

 

Dr. Birgit Feldhusen

Dr. Birgit Feldhusen

Wann macht Arbeit Sinn?

Jeden Tag hört man Menschen über die oft so mangelnde Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit sprechen. Arbeit mit Kindern oder kranken Menschen, oder Bio-Bauer zu sein, das würde beispielsweise Sinn machen heißt es da oft.

Woran machen wir den Sinn fest? Das, was wir landläufig als sinnvolle Arbeit bezeichnen, hat, in den meisten Fällen, mit Leben und Lebendigkeit zu tun. Der Sinn geht dort verloren, wo die Lebendigkeit abhanden kommt und Kontrollmechanismen über uns bestimmen. Dort zieht sich die Sinnsuche in die Privatleben und Nebenbeschäftigungen der Menschen zurück; wo Menschen sich mit ganz anderen Dingen beschäftigen, sich „verwirklichen“ und „ausleben“, nebenberuflich Gewerbescheine lösen und ähnliches.

Für viele bedeutet „Sinn“, einen wichtigen und erkennbaren Beitrag leisten zu können. Wir Menschen haben keine Lust darauf, anonym irgendwelche xls-Sheets auszufüllen, Berichte zu schreiben oder stereotype Handgriffe zu machen. Wir Menschen wollen miteinander reden, gemeinsam etwas auf die Beine stellen, etwas bewegen, etwas entscheiden. Wir wollen sehen, dass etwas entsteht und dabei sein, wenn es entsteht.

Das Entstehen der hohen Komplexität in der Arbeitswelt hat mit sich gebracht, dass wir die zu verrichtende Arbeit nicht mehr komplett alleine machen können. Für die einzelnen Arbeitsschritte benötigt es andere Fertigkeiten und Fachkenntnisse, andere Talente und damit andere Menschen. Dadurch ist Kommunikation und Abstimmung noch wichtiger geworden. Wir bringen Motivation und Erfahrung ins Unternehmen ein, werden oft aufgrund der Erfahrung eingestellt und dürfen dann kaum mitbestimmen. Wir wollen über Arbeitsvorgänge und deren Effizienz entscheiden und über andere unternehmerische Fragestellungen, die uns unmittelbar betreffen, bei denen wir uns auskennen und damit einen befriedigenden und wertstiftenden Teil für das Unternehmensergebnis leisten.

Und da sind wir wieder bei der Lebendigkeit: wenn wir Menschen selbst entscheiden und tun dürfen, quasi „lebendig“ sein dürfen, wenn uns vertraut wird, dass wir in der Lage sind uns selbst zum Wohle des Unternehmens zu organisieren und zu entscheiden, dann entsteht Spirit, Identifikation und Sinn. Macht das Sinn?

Karin Weigl

 

Karin Weigl

Karin Weigl

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