Nachlese zur Wiener Leadership Night am 21. Jänner 2016 mit Dr. Monika Kerbl

Schnell ist nicht immer besser. Diese Erfahrung haben wir alle gemacht und dennoch verhalten wir uns häufig danach, schnell zu handeln. Beispielsweise laufen wir, um die gerade einfahrende Straßenbahn noch zu erreichen, ganz gleich, wie viel Zeit wir haben.

In unserer Wirtschaftswelt und unserem Alltagsleben geht es oft darum, etwas „möglichst schnell“ zu erledigen oder „von jemanden etwas schnell zu brauchen“. Wäre es denn wirklich ein Verlust, wenn wir oftmals nicht schnell reagieren? Und gibt es eine „Wirkungsgradkurve“ – eine Korrelation zwischen ausgeübtem Druck und Leistungssteigerung, anhand derer sich ein Optimum bestimmen lässt, für Höchstleistung zwischen zu wenig oder zu viel Druck?

Manches davon nehmen wir als gegeben an, entwickeln Heuristiken, die beim „schnellen Denken“ wirken.

Beispielsweise hat schnelles Denken mit Erlebnissen aus unserer kurzfristigen Vergangenheit zu tun. Ein Effekt, in der Psychologie als  Priming bezeichnet, ist Teil der assoziativen Gedächtnisleistung und beeinflusst unser Verhalten. Je nachdem, was ein Priming bei uns hervorruft (z.B. Büroutensilien wie etwa ein Aktenkoffer erhöhen den Stresslevel) ändert sich  unsere Denk- und Handlungsweise, und das geschieht unbewusst.

„Schnelles Denken“ kann in die Irre führen. Je komplexer die Zusammenhänge sind, umso mehr versagt die Heuristik. Ausbildner von angehenden Flugzeugpiloten kommen etwa zum dem Schluss, dass, wenn sie die Schüler für besonders gute Flüge loben, sich die Leistungen verschlechtern, wenn sie die Schüler bei sehr schlechten Flügen kritisieren, sich die Leistungen verbessern. Tatsächlich hat dieses Phänomen allerdings mehr mit mathematischen Wahrscheinlichkeiten zu tun, als mit Kausalität einer Leistungssteigerung oder eines Leistungsabfalls. Über kurzfristige Zeitspannen ändern sich  die Fähigkeiten der Flugschüler kaum, vielmehr sind die Ergebnisse der einzelnen Flüge zufällig verteilt, und nach dem Prinzip der „Regression zum Mittelwert“ wird auf ein extremes Ergebnis in den meisten Fällen ein dem Mittelwert näherliegendes Ergebnis – d.h. bei extrem guten Ergebnis ein schlechteres, bei extrem schlechtem Ergebnis ein besseres – folgen.

Schnelles Denken ist gut geeignet für Routinearbeiten. In verschiedenen Studien hat man jedoch festgestellt, dass beim kreativen Problemlösen alles, was Leistungs- oder Zeitdruck hervorruft, die Ergebnisse verschlechtert.

In Projekten ist die Verwendung roter, gelber oder grüner Ampeln gebräuchlich, um anzuzeigen, in welchem „Zustand“ ein Projekt oder eine Aufgabe gerade ist. Die rote Ampel erzeugt Ungeduld. Schnell werden Lösungen und Workarounds gesucht um die Ampel zuerst auf gelb und dann auf grün zu bringen. Workarounds können aber sogenannte Debts erzeugen. In konventionellen Vorgehensweisen wird über die Debts – die später notwendigen „Nacharbeiten“ – keine Transparenz geschaffen.
Wie würde es wirken, als Alternative zu einer roten Ampel etwa ein Gefahrenzeichen aus dem Straßenverkehr zu verwenden? – Im Unterschied zur roten Ampel ist ein Gefahrenzeichen ein Signal, das die Konzentration steigert und die Wahrnehmung aktiviert, die Sinne schärft für das was nicht bekannt ist – das Fragenstellen unterstützt. Verbesserungsprozesse leben davon, dass Fragen gestellt werden.

Ein Grund, warum wir dazu neigen, schnell zu reagieren, ist, dass wir in Arbeitssituationen gewöhnlich davon ausgehen, dass Ressourcen knapp sind und deswegen Effizienz vorrangig ist. Wir  könnten anders mit vergleichbaren Situationen umgehen unter der Annahme, dass es wichtiger wäre, mit Veränderungen gut umzugehen zu können, also Flexibilität und Resilienz vor Effizienz gefordert wäre.

Im Kanban geht es darum, Durchlaufzeiten zu optimieren und da besagen Erfahrungswerte, dass bei 80% Auslastung ein System optimal läuft. Der Rest ist sogenannter Slack, Raum, der Flexibilität und Verbesserungen bringen kann.

Auch namhafte Unternehmen, wie z.B. Google, haben entdeckt, dass Slack wertvoll für das Unternehmen ist: „80-20“ ist hier ein Motto, das für 80% produktive Projekte, 20%  „spielen“ und experimentieren mit Möglichkeiten für die Zukunft steht.

Auch historische Beispiele haben sich vom Effizienz-Denken abgewandt: Jack Welch war beispielsweise bekannt dafür, Meetings vertagt zu haben, wenn Entscheidungen sehr schnell zustande kamen.

Druck, Ungewissheit,  Stillstand zu vermeiden ist oft der Treiber für Schnellschussmuster.

Was sind also nun Alternativen, was können wir tun, um nicht schnell zuschießen:

  • Sensibler werden für Muster, wo „schnelles Denken“ typischerweise auftritt – laut D. Kahneman sein wesentlichstes Ergebnis seiner Forschungsarbeit.
  • Andere an Meinungsfindungs- oder Entscheidungsprozessen teilhaben lassen (auch, wenn diese inhaltlich nichts damit zu tun haben – und gerade dann).
  • Reflexionsraum einbauen um zu sehen, was läuft gut, was weniger – regelmäßig, unabhängig vom aktuellen Ergebnisstand (Beispiele Peer Groups, oder Retrospektiven in der agilen Softwareentwicklung).

Vielen herzlichen Dank an Dr. Monika Kerbl für die Gestaltung dieses Abends.

Weitere Gedanken zum Thema:

Buchempfehlungen zum Thema:

  • Daniel Kahnemann, Schnelles Denken, langsames Denken (Originaltitel: Thinking Fast and Slow)
  • Tom DeMarco, Der Termin (Originaltitel: A Novel about Project Management)

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