Motivationsschub…

Hast du gerade viel zu tun? Hast du das Sommerloch in diesem Jahr gut genutzt?

Welches Sommerloch eigentlich? Ich suche es jedes Jahr vergeblich und habe es noch in keinem Jahr gefunden. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich gerne all jene Themen und Dinge in den Sommer verlege, für die ich mir während des restlichen Jahres zu wenig Zeit nehme. Und dabei ertappe ich mich immer wieder, dass es manchmal gar nicht so einfach ist, zwischen den wichtigen und den dringenden Dingen zu unterscheiden…

Der Sommer ist für dieses Jahr wohl auch temperaturtechnisch endgültig vorbei und eigentlich wäre ich durchaus bereit für ein „Sommerloch“ bei all den Dingen, die es zu erledigen gilt. Ist aber keines in Sicht – weil es ja auch nicht mehr Sommer ist. Also schaffe ich Abhilfe und widme mich der Priorisierung – und hole mir einen Motivationsschub.

Wichtig und dringend.

Es gibt Aufgaben, die dringend UND wichtig sind. Das sind all jene Dinge, die Potenzial haben, Stress zu erzeugen. Grund dafür kann sein, dass jemand anderer etwas braucht oder man etwas beitragen soll, damit jemand anderer an einer bestimmten Aufgabe weiterarbeiten kann. Meist sind das auch Dinge, die mit Zeitdruck verbunden sind.

Erfolgsgefühl.

Dann gibt es all jene Dinge, die dringend, aber nicht so wichtig sind. Idealerweise kann man diese an andere delegieren. Bei mir erlebe ich, dass dies oft Aufgaben sind, bei deren Erledigung ich weniger Freude empfinde. Da ist es z.B. gut, wenn ich sie an jemand anderen weitergeben kann, dem sie vielleicht mehr Freude macht, als mir. Bei unseren Kunden beobachte ich immer wieder, dass Menschen Aufgaben nicht delegieren, weil sie meinen, die Aufgabe wäre für andere nicht zumutbar. Oftmals ist aber genau anderes der Fall: eine delegierte Aufgabe kann viel an Motivation erzeugen, an Lernerfahrung und damit auch an Erfolgsgefühl. Wie wäre es, einfach darüber zu reden und zu fragen, wer denn Interesse hätte, eine Aufgabe zu übernehmen – auch wenn es für einen selbst eine Unliebsame darstellt? In meiner Corporate-Vergangenheit war ich oft überrascht, wer sich dann für verschiedene Aufgaben meldete, denn oft hatte ich selbst nie gedacht, dass genau diese Personen an der spezifischen Sache Interesse hätten.

Alles, was wichtig, aber nicht dringend ist, schieben wir oft vor uns her. Denn keiner fragt in der Regel danach und es gibt auch keinen Zeitdruck dahinter. Diese Aufgaben reihen sich dann irgendwann mit fortschreitender Zeit in die „dringend UND wichtig“-Kategorie, wenn sie nicht erledigt werden… Und damit reihen sie sich automatisch in der Prioritätenliste nach vorne.

Motivationsschub.

Und schließlich gibt es jene Dinge, die weder wichtig noch dringend sind. Viele Lehrbücher empfehlen, solche Aufgaben hintenanzustellen. Was mich betrifft, sind das allerdings sehr oft genau die Dinge, die mir Spaß machen. Diese sollten also keine Priorität haben? Auch bei Mitarbeitenden habe ich das in der Vergangenheit erlebt: Aufgaben, bei denen es etwas Neues zu entwickeln gilt, etwas neu zu ordnen oder zu konzipieren ist, haben oft motivierenden Charakter. Ohne diese Aufgaben könnte man wahrscheinlich gut auskommen, wenn alles so bleiben soll, wie es ist. Und genau deshalb darf man ihren Wert nicht unterschätzen. Genau in diesen Aufgaben steckt die Innovationsfähigkeit von Unternehmen, die Kreativität und die Motivation. Denn es gibt keinerlei Druck. Hier darf etwas entstehen, hat etwas Zeit und Raum. Kreativität und Innovation kann man nicht erzwingen. Denn je mehr Druck da ist, desto weniger kann entstehen. Insofern ist es wichtig, solche To Dos nicht vom Radar zu verlieren, sondern ihnen dieselbe Aufmerksamkeit zu geben, wie den anderen Themen, die uns und auch anderen oftmals dringender und wichtiger erscheinen. Denn sie haben großes Potenzial für einen Motivationsschub.

Und was das Sommerloch betrifft, so  kann ich euch nur empfehlen, euch auch im Herbst mal ein „Sommerloch“ zu gönnen, mit druckfreier Zeit zum Durchhängen, für neue Ideen. Motivationsschub garantiert.

Und sollte es sich jetzt gerade nicht ausgehen: der nächste Sommer kommt bestimmt. ;-)

Wer nimmt den Schwarzen Peter?

Die Redewendung „jemandem den Schwarzen Peter zuschieben[1] bedeutet bekanntermaßen, eine Schuld, Unannehmlichkeiten oder ein unerwünschtes Thema zu übertragen oder gar abzuwälzen. Diese Redewendung lässt aber auch den Eindruck zu, dass wir möglicherweise keine Wahl haben, wenn wir Schuld für etwas zugesprochen bekommen.

Erst kürzlich haben wir in einem Unternehmen erlebt, dass für einen internen Prozess, der nicht eingehalten wurde, die Schuldigen, die „schwarzen Schafe“ dafür gesucht wurden. Also jene, die sich Freiheiten herausnehmen würden, die andere nicht hätten.
Was macht Schuld mit uns und was kann sich ändern, wenn wir mit ihr bewusster umgehen?

Schuld und Handlungsmöglichkeiten.

Wenn wir vom Begriff der Schuld sprechen, dann kommen wir automatisch sofort zur Freiheit des Handelns. Denn Schuld setzt voraus, dass wir Freiheit in unseren Handlungsmöglichkeiten empfinden: ob wir sie uns zuschieben lassen und nehmen, oder nicht.

Wie mit Schuld umgegangen wird – was eine Holschuld und was eine Bringschuld darstellen kann – ist auch kulturell sehr verschieden. Während wir in Europa stark davon geprägt sind, dass der Staat vieles für die Allgemeinheit regelt und der Bürger sich nicht in der Verantwortung sieht, dem Staat/ der Allgemeinheit etwas zurückzugeben, sieht das zum Beispiel in den USA anders aus. In Amerika geht das Individuum davon aus, dass es sich um sich selbst kümmern muss bzw. dass Unternehmer*innen beispielsweise viel häufiger Stiftungen gründen um der Allgemeinheit etwas zurückzugeben, als das in Europa der Fall ist. Hierzulande haben Stiftungen vor allem den Nutzen, ein steuerschonendes Finanzinstrument zu sein.

Moral?

Im Deutschen haben wir nur wenige Begrifflichkeiten für „Schuld“. Während es zum Beispiel im Englischen oder auch Französischen die Unterscheidung zwischen debt und guilt gibt, machen wir begrifflich im Deutschen keinen Unterschied. Der Begriff ist in der deutschen Sprache auch um einiges moralischer aufgeladen, als in anderen Sprachen.

Während es Systeme wie das Bankwesen gibt, die auf dem Konzept materieller Schuld aufgebaut sind, gibt es auch noch die gefühlte Schuld, die einen innerlichen, sehr persönlichen Prozess darstellt. Dieser ist von außen nicht beeinflussbar. Denn ob und wie sehr sich jemand schuldig fühlt, hat viel mit dem eigenen Weltbild und den eigenen Glaubenssätzen zu tun. Auch die Frage, wie lange wir im Gefühl „schuld zu sein“ verhaftet bleiben, bestimmt, wie frei wir uns im Umgang mit Schuld fühlen und welche Handlungsmöglichkeit wir wahrnehmen.

Durch Schuld entsteht eine Disbalance. Sich zu ent-schuldigen hat dabei die Funktion, einen sozialen Ausgleich zu schaffen: es gab eine Friktion und durch ein Eingeständnis passiert ein Ausgleich.

Sündenbock.

Vor allem aus der Religionsgeschichte ist der Begriff der Schuld stark negativ aufgeladen. Es wird einfacher, wenn wir Schuld durch Verantwortung ersetzen: denn es macht einen Unterschied, ob wir fragen, wer an einer Sache schuld ist oder wer für eine Sache verantwortlich ist.

Die jüngste Datenaffäre um Facebook ist ein schönes Beispiel für die Art und Weise, wie wir als Gesellschaft mit Schuld oder Verantwortung umgehen. Wieviel leichter ist es oft, dem vermeintlich (!) Offensichtlichem den Schwarzen Peter zu zuschieben und nicht dahinter zuschauen, was vielleicht das Thema ist? Wenn wir bereit sind auch andere Sichtweisen einzunehmen, relativiert das oftmals die eigentliche Schuldfrage (siehe auch diesen Artikel hier.)

Was können wir also tun um achtsamer mit dem Schuldbegriff umzugehen? Wir können uns selbst beobachten, welchen Stellenwert wir der Schuld geben. Durch mehr Bewusstheit darüber können wir unseren Umgang damit verändern. Dabei können folgende Fragen hilfreich sein:

  • Wem gebe ich die Schuld und wofür? Und wie spreche ich es an?
  • Was würde sich verändern, wenn ich die Sache aus dem Blickwinkel des Anderen und aus seiner Verantwortung heraus betrachte?
  • Ist es mir eine Genugtuung, einen Schuldigen zu finden?
  • Nehme ich leicht Schuld auf mich und fühle ich mich oft als Sündenbock?
  • Wie leicht fällt es mir, mich aufrichtig zu ent-schuldigen und einen Fehler einzugestehen?

Und für den Schwarzen Peter bedeutet das: wir haben immer die Freiheit, zu entscheiden ob wir ihn uns zuschieben lassen und nehmen, oder nicht. Oder wofür wir ihn – manchmal vielleicht auch leichtfertig – anderen umhängen.

——

[1] Das Spiel „Der Schwarze Peter“ geht wahrscheinlich auf den deutschen Räuber Hannes Brückler, genannt Schinderhannes, zurück, der das Spiel während eines Gefängnisaufenthalts um 1811 erfand. Der Name bezieht sich wahrscheinlich auf seinen Komplizen Johann Peter Petri zurück, der unter dem Namen „Schwarzer Peter“ bekannt war. (Quelle Wikipedia)

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Begegnung bringt Produktivität.

Kürzlich war ich wieder einige Tage bei einem produzierenden österreichischen Unternehmen. Das Ziel der neuen Geschäftsführung dort ist es, die Produktivität zu steigern. Das, was mir als erstes auffiel waren die geschlossenen Türen im ganzen Unternehmen. Die Gänge waren leer und was sich hinter den Bürotüren abspielte war ruhig und nicht erkennbar. Selten sah man die eine oder andere Person zwischen zwei Zimmern hin und her gehen, oder auf dem Weg zum Kaffeebereich. Aber niemand hielt sich am Gang auf, selbst in der Kaffee-Ecke waren nur äußerst selten Leute zu finden. Schon gar nicht in Grüppchen zu gegenseitigem Austausch und Begegnung.

Ich war überrascht, denn so extrem hatte ich es noch nicht erlebt. Solche Entwicklungen der Unternehmenskultur sind immer auch Zeichen der Führung und – nach Gesprächen mit dem Management-Team – waren die letzten Jahre geprägt von Aussagen und Sichtweisen wie „wenn ich nicht an meinem Arbeitsplatz bin, dann arbeite ich nicht.“ Das soll sich nun im Unternehmen ändern, aber so einfach ist das auch wieder nicht, denn eine solche Führungskultur lässt sich nicht von heute auf morgen „ausradieren“ wie einen schlecht gesetzten Strich in einer Zeichnung. Dazu braucht es Zeit und Raum, damit Begegnung stattfinden kann.

Raum für Begegnung?

In vielen Organisationen stellt man sich bei allen Themenstellungen die Frage: „was kommt dabei heraus“? Ist es messbar und kann es in einem konkreten Beitrag für das Unternehmen festgemacht werden?  Bei einer solchen Betrachtung schneidet der Aspekt Begegnung wohl oberflächlich gesehen schlecht ab, denn Begegnung ist de facto nicht direkt messbar. Zwanglose stattfindende Begegnung wurde oft zugunsten von (vermeintlicher) Effizienz wegrationalisiert. Und dennoch trägt sie einen wichtigen Beitrag zur Produktivität bei. Denn bei informellen Gesprächen findet ein Informationsaustausch statt, Informationen am „schnellen Dienstweg“ werden weitergegeben, die das Schreiben eines e-Mails ersetzen. Vertrauen entsteht, das ein Arbeiten ohne dauernde Absicherung benötigt. In der modernen Bürogestaltung geht der Trend genau dorthin, nämlich offenere Büros zu haben und viele verschiedene kleine Inseln um sich zusammenzusetzen und treffen zu können.

Zeit für Begegnung?

Ein zweiter Faktor ist wesentlich für eine gelingende Begegnung und das ist die Zeitqualität: dürfen wir uns für Treffen und Gespräche offiziell Zeit nehmen? Begegnung braucht das Gefühl der Sicherheit, damit sie stattfinden kann, dass Gefühl, dass wir uns Zeit nehmen dürfen miteinander zu sprechen und in Austausch zu gehen. Dort, wo wir uns dbzgl. unsicher fühlen vermeiden wir sie und ziehen uns zurück. Im Business-Kontext gibt es dafür nach wie vor oft zu wenig Zeit – abseits von Meetings. Und auch die Unternehmensführung versucht vielerorts Begegnung zu fördern. Allerdings muss sie dazu selbst sichtbar und greifbar werden – sich Zeit zu nehmen auf die Mitarbeiter zu zugehen. Denn Begegnung findet immer statt – und sei es nur durch kleine Zeichen in der Körpersprache – oder eben durch völlige Abwesenheit.

Entwicklung durch Begegnung.

Schon bei kleinen Kindern sieht man, wie wichtig Bezugspersonen sind, um sich zu entwickeln. Und auch später, im Erwachsenenleben hört diese Entwicklung nicht auf, sie verändert sich nur, wird möglicherweise bewusster. Edmund Husserl, deutscher Philosoph und Phänomenologe meint, wir brauchen den anderen um ein Selbstverständnis bekommen zu können. Die andere Person löst also etwas aus in uns, mit dem wir sonst vielleicht nicht in Berührung gekommen wären. Sie bietet uns Anstoß nachzudenken, zu reflektieren, unser Verhalten zu beobachten, uns weiterzuentwickeln, reifer und bewusster zu werden.

Verschiedene neue Organisationsformen und Arbeitsmodelle nutzen Zeit und Raum für (Selbst-)Reflexion als einen wesentlichen Eckpfeiler ihrer Unternehmenskultur: die Begegnung mit sich selbst und mit anderen. Um Reflexion in der Gruppe möglich zu machen, braucht es Vertrauen und das entsteht auch nicht von heute auf morgen, sondern baucht Zeit und Raum. Bewusstheit über Begegnungen erfolgt erst über die Reflexion: wie war mein Umgang mit anderen? Was war mein Beitrag zu einem Gespräch? Wie reagieren die anderen auf mich? Auf welche Weise verhalte ich mich mit verschiedenen Menschen unterschiedlich?

Produktivität folgt Erkenntnis folgt Begegnung.

Es muss aber auch nicht eine andere Organisationsform sein, die Austausch fördert und möglich macht. In der eingangs beschriebenen Organisation sucht der neue Firmenchef regelmäßig Gespräche mit den MitarbeiterInnen und zwar nicht nur auf Führungsebene. Das Feedback der Menschen im Unternehmen zeigt, dass sie nun endlich das Gefühl haben, gehört zu werden, ernst genommen zu werden und, dass sich etwas bewegt. In einer Befragung verschiedener MitarbeiterInnen kam heraus, dass die Motivation und Produktivität in den letzten Monaten messbar gestiegen ist und dass sei vor allem dem Interesse der Geschäftsführung an den MitarbeiterInnen geschuldet. Und auch für den Firmenchef brachten diese Gespräche viele Erkenntnisse und ein tiefes Wissen und Verständnis für die Organisation. Erkenntnisse, die wesentlich sind, um das Unternehmen durch den aktuellen Wachstums- und Veränderungsprozess manövrieren zu können und die Produktivität im Schulterschluss mit den MitarbeiterInnen zu steigern.

Karin Weigl

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Strategie Ping-Pong

Hattest du schon deinen jährlichen Strategie-Workshop mit deinem Team oder in deinem Unternehmen? Und wenn ja, wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis? Und was unterscheidet die Strategie 2019 konkret von den Jahren davor?

Unter Strategie verstehen offenbar viele Menschen unterschiedliche Dinge. Oftmals erleben wir vor allem eine Verkürzung des Begriffes der Strategie auf den des Zieles. Dabei wird übersehen, dass auch der Weg, wie man ans Ziel gelangen kann, von Bedeutung ist. Strategie besteht aus beidem: den Zielen und den Mitteln, um die Ziele zu erreichen. Im Sport ist ganz klar, wie die Verbindung aussehen muss. Das Ziel ist meist, zu gewinnen oder zumindest ganz weit vorne zu landen. Dazu wählt man unterschiedliche Mittel. In der Formel 1 geht es zum Beispiel um die Wahl der richtigen Reifen oder die Anzahl Boxenstopps. Beim Schifahren geht es um den Einsatz der Kraft und das entsprechende Material zur Pistenbeschaffenheit.

Starrer Plan

Im Business geht es auch zuerst mal um die Ziele, denn diese sind messbar und daher eine Kennzahl für den Unternehmenserfolg. Der zweite Teil der Strategie, also wie diese erreicht werden sollen, wird meist in der Wichtigkeit nachgereiht und besteht oft – provokant gesagt – aus Planungsphantasien der oberen Führungsebene. In vielen Unternehmen findet die Strategieentwicklung sehr mechanistisch statt. Es wird etwas entwickelt, und ändern sich die Umstände, wird an dem, was entwickelt wurde, festgehalten. Oder es wird radikal alles über Bord geworfen und aktionistisch nach einem neuen Plan gesucht. Gerade in Krisenzeiten werden gerne kurzfristige Strategien in Angriff genommen, die langfristigen Pläne und Ziele rücken in den Hintergrund oder werden komplett verworfen.

So erlebt in einem internationalen Konzern, als plötzlich Ziele und Strategien auf Eis gelegt wurden, Mittel drastisch reduziert wurden und aus New York Vorgaben kamen, die für den lokalen europäischen Markt als kontraproduktiv wahrgenommen wurden. Damit wurde auch implizit die Expertise der lokalen Experten abgewertet, denn jemand anderer wusste es besser. In Diskussionen zwischen dem lokalen Management und den für den Strategie-Roll-Out zuständigen Leuten in den USA begannen sich die Perspektiven zu verhärten.  Die Vorgaben wurden lokal nur halbherzig bis gar nicht umgesetzt, weil sich die MitarbeiterInnen damit nicht identifizieren konnten, sie das Gefühl vermittelt bekamen, dass ihr Wissen und ihre Erfahrung nichts wert seien und sich ihnen der Sinn der Vorgaben nicht erschloss. Stattdessen entwickelte sich so etwas wie eine lokale Schattenstrategie: berichtet wurden pro-forma-Zahlen, angepasst an die gewünschten Entwicklungen, und gemacht wurde im Hintergrund ganz etwas anderes…

Wie kann man sicherstellen, dass die Strategien auch seitens der MitarbeiterInnen voller Commitment umgesetzt werden?  Und was tun, wenn der Wind der Veränderung Ziele und Strategien durcheinanderwirbelt?

Ping-Pong

Ein Schlüsselaspekt für eine funktionierende Strategie ist das Einbinden all derjenigen, die die Unternehmensziele mittels der Strategien erreichen und die Maßnahmen umsetzen müssen. Also weg von einer mechanistischen, linearen Planung hin zu einem komplexeren Prozess, auf den sich die Führung jedoch auch einlassen muss. Dieser Prozess muss demnach an verschiedenen Stellen in der Organisation gleichzeitig gestartet werden. Das ist vergleichbar mit einem Ping-Pong-Spiel: Der Ball (in diesem Fall die Strategie) wird zwischen Experten aus den verschiedensten operativen Bereichen und Hierarchieebenen hin- und her gespielt, immer wieder hinterfragt, immer wieder durch Neues angereichert und an neue Gegebenheiten angepasst.

Dabei kann sich jeder einbringen und auf Veränderungen aufmerksam machen. Das erzeugt Identifikation und Sinn bei den Mitarbeitenden. Auf Sicht geht es darum, einen Mittelweg zwischen vorgeben und einbinden zu wählen und dabei flexibel zu bleiben, um auf Unerwartetes reagieren zu können. Und das alles natürlich immer in Abgleich mit dem Big Picture, dem großen Bild und dem übergeordneten Ziel.

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Makellos

Wenn ein Gefäß, ein Glas oder eine Schale in der westlichen Welt auf den Boden fällt oder bricht, werfen wir es entweder weg oder versuchen es so zu kleben oder zu reparieren, dass man den Schaden möglichst nicht sieht. Auch würde man seinen Gästen – wenn möglich – nur makellose Gläser oder Geschirr hinstellen, oder sich meist zumindest dafür entschuldigen, wenn etwas davon beschädigt ist. Ähnlich gehen wir manchmal mit uns und unseren Erfahrungen und Verletzungen bzw. denen anderer um.

In Japan gib es seit mehr als 400 Jahren eine Tradition (kintsugi), in der zerbrochenes Glas, Keramik oder Porzellan mit Gold repariert wird. Die Risse und Beschädigungen werden somit sichtbar und das beschädigte Gefäß dadurch wertvoller. Der Makel wird bewusst hervorgehoben. Diese Tradition hat mit dem Wabi-Sabi-Schönheitskonzept zu tun, das eng mit dem ZEN Buddhismus verbunden ist und besagt, dass die sichtbare Geschichte von Echtheit, Integrität und Authentizität zeugt.

Sichtbarkeit

Ohne Makel zu sein, also makellos, gibt es nicht. Einen Makel loswerden zu wollen, zu verstecken, zu verbergen führt meist nicht zum gewünschten Ergebnis. Jeder und jede hat im Laufe seines/ihres Lebens Erfahrungen gemacht, die mehr oder weniger sichtbare Verletzungen hinterlassen haben. Allerdings glauben viele von uns, dass diese Verletzungen, Bruchstellen und Risse uns nicht wertvoller machen, sondern uns einen Makel verleihen und damit entwerten. Im Geschäftsleben wird immer noch vielerorts möglichst Makellosigkeit erwartet. Das beginnt oft schon beim Einstellungsgespräch und dem Lesen und Bewerten von Lebensläufen. Homogen und ohne Lücken sollten sei sein.

Wir verstecken unsere Erfahrungen sehr oft, und hadern mit den Verletzungen, die wir davongetragen haben. Wir verstecken einen Großteil dessen, was uns zu dem Menschen gemacht hat, der wir sind. Mit all jenen Attributen und Stärken, die wir tagtäglich in unsere Arbeit einbringen. Das, was die Unternehmen ausmacht, sind allerdings genau wir Menschen, mit alldem, was wir an Eigenschaften und Erfahrungen mitbringen.

Vergoldet

Vor wenigen Tagen habe ich im Rahmen eines Coaching mit einer Führungskraft aus dem Finanzsektor wieder einmal gehört, wie wichtig es sei, beruflich und privat zu trennen. Aber wo genau ist diese Trennlinie? Bis zu einem gewissen Grad verstehe ich das, denn es geht nicht darum über alle privaten Details zu sprechen. Dennoch sind wir jeden Tag als ganze Menschen in den Unternehmen. Mit all unseren Interessen, Beziehungen, und Erfahrungen. Auch mit all unseren „Makeln“, Verletzungen, Erinnerungen und Vorurteilen, die wir gegenüber Dingen und anderen Menschen haben.  Das macht uns zu dem Menschen, der wir sind. Wer hat nicht schon mal die Erfahrung gemacht, dass es ganz wunderbar ist, wenn man selbst oder jemand anderer über jene Themen spricht, die einen gerade bewegen? Wenn wir uns den anderen zeigen können, wer und wie wir wirklich sind und umgekehrt? Sind es nicht genau diese Momente, die uns bereichern, wenn uns andere einen Einblick in ihr wahres Ich geben? In diesen Momenten, in denen echte Begegnung stattfindet?

Wie schauen wir also auf unsere eigenen und die Verletzungen der anderen? Können wir sie schätzen? Wären diese aus Gold und im außen sichtbar, würden wir die dahinter liegende Schönheit der Erfahrungen mit anderen Augen sehen? Und vielleicht würden wir sie dann auch freudvoller und stolzer nach außen tragen und unseren Umgang damit verändern.

Ein Danke an Michael Mark für die Inspiration zu diesem Text.

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