Sind Traditionen Innovationskiller?

Nachlese zur Wiener Leadership Night am 21. Februar 2018

Wir Menschen sind Gewohnheitstiere und orientieren uns gerne an Bewährtem. Daran ist grundsätzlich auch nichts falsch, denn Bewährtes gibt uns Sicherheit.

Immer wieder sind wir in den Projekten bei unseren Kunden mit dem Ausspruch „das haben wir immer schon gemacht, das passt anders für uns nicht“ konfrontiert. Und das hat uns die Frage stellen lassen, ob Traditionen denn Innovationskiller in Unternehmen sind. Ob sie Neuerungen behindern oder in welcher Hinsicht sie auch Veränderung und Innovation fördern können. Und was zu beachten ist, damit Traditionen den Fortschritt fördern statt zu behindern.

Der Frage nachgehend „Sind Traditionen Innovationskiller?“ hatten wir zu unserer ersten Wiener Leadership Night in diesem Jahr 4 VertreterInnen österreichischer Traditionsunternehmen eingeladen.

Unsere Gäste.

Unsere Gäste an diesem Abend waren Georg Gaugusch, Chemiker, Historiker und Geschäftsführer des traditionsreichen Tuchwarenhändlers Wilhelm Jungmann und Neffe, der das Unternehmen 2005 von seiner Mutter übernommen hatte, Doris Wallner-Bösmüller, Geschäftsführerin von Bösmüller Printmanagement, die 2009 die Firmennachfolge ihrer Eltern antrat und Johannes Hornig, der mittlerweile in 5. Generation seit 7 Jahren das Familienunternehmen J. Hornig Kaffee weiterführt. Die vierte im Bunde war Dr. Ingrid Thür, Leiterin Controlling und Procurement bei der Austro Control, die den Faktor „traditionsreiches Großunternehmen“ vertrat und aus den Veränderungen in Mindset und Arbeitsweise der Austro Control berichtete, die erst 1994 aus der ehemaligen Bundesluftfahrtbehörde hervorging.

Tradition – aus dem Lateinischen kommend – bedeutet Übergabe, Weitergabe von Überzeugungen und Handlungsmustern. Gemeinsame Überzeugungen und Handlungsmuster sind auch ein Aspekt, der uns Menschen in unseren Fähigkeiten von Tieren unterscheidet, wenn es um Interaktion und in weiterer Folge auch um Beziehungen und Zusammenarbeit geht (siehe auch Yuval Noah Hararis Buch Homo Deus )

Umgang mit Tradition.

Traditionen – und vor allem die Verhaftung in Traditionen – bestimmt auch die Kultur in Unternehmen. So berichtete Ingrid Thür zum Beispiel, wie wichtig Traditionen und bewährte Handlungsmuster für eine Organisation wie der Austro Control seien: „gerade, wenn es um Flugsicherheit geht, erwarten wir uns als Konsumenten, dass bewährte Handlungsmuster seitens der Flugsicherung oder der Piloten zum Tragen kommen.“ Das sei auch ein wesentlicher Teil der Ausbildung. Auf der anderen Seite dann wieder die Gratwanderung, wenn es um Innovation im Unternehmen ginge und Arbeitsschritte dann plötzlich von manuellen zu automatisierten und computerunterstützen Abläufen würden. Es sei also wichtig, sorgsam mit Veränderung umzugehen und Bewährtes und Neues miteinander zu verbinden.

Traditionen müssen nicht unbedingt Innovationskiller sein: man muss aber sorgsam schauen, dass sie Innovation nicht verhindern: „so haben wir es immer schon gemacht“ bedeutet den Blickwinkel zu verlieren für das, was verändert werden muss. In der Austro Control war es beispielsweise für manche schwer verkraftbar, als 1994 der Adler als Firmenzeichen abmontiert wurde und es gab einen Mitarbeiter, der bis 2000 den Adler stempelte, obwohl es schon lange nicht mehr zur Vorgehensweise gehörte.

Umgang mit Trends.

Auf die Frage, ob man Trends folgen müsse, meinte Georg Gaugusch, dass man selbst die Trends setzen müsse, wenn man ihnen „nur folge, wäre man bald tot.“ Auch ginge es um Entscheidungen, wie z.B. ob man sich dem Preisdruck oder Sortimentsdruck hingeben wolle – eben dem was die meisten machen in einer Branche. Als Beispiel brachte er die Entscheidung im sehr hochpreisigen Segment zu bleiben – wie auch schon früher – weil ja auch die Ware exzellente Qualität habe, die man nur in vereinzelten Geschäften bekommen könne. Es gehe also auch darum, eine klare Linie zu haben und bei dieser zu bleiben und keine Kompromisse zu machen, nur weil es vielleicht gerade alle anders machen. Das habe sich bei Wilhelm Jungmann und Neffe seit vielen Generationen bewährt.

Fingerspitzengefühl.

Doris Wallner-Bösmüller unterstrich die Herausforderung, Handlungsmuster und Traditionen, die beispielsweise die Eltern gelebt hatten und für sie in dieser Form nicht mehr gepasst haben, zu verändern: „Da braucht es Fingerspitzengefühl und man muss auch schauen, wie man dennoch mit manchen Traditionen leben kann, denn abseits der Firma bleibt man schließlich Familie. Manchmal ist es auch Zeit, zu entrümpeln. Man kann nie alles auf einmal ausreißen. Wie ein Rückschnitt in einem Garten: man muss schauen, in welchen Trieben noch Kraft ist. Also auch zu differenzieren, was bringt uns noch was und was bringt uns nichts, seien das Geschäftszweige, Abläufe und manchmal leider auch MitarbeiterInnen.“ So habe sie zum Beispiel das Fehlerbewusstsein im Unternehmen verändert: „Es gibt Hintergründe warum etwas passiert – es gibt keinen Schuldigen, sondern es geht um Lösungen und dem Lernen aus den Fehlern.“

Regulative.

Gleichzeitig mit Johannes Hornigs Firmenübernahme kam 2011 auch ein neuer deutscher Mehrheitsgesellschafter mit an Bord. Eine komplett neue Situation für das Unternehmen und seine Mitarbeiter, nachdem Hornig Kaffee bis dahin rein in Familienbesitz war. Es gab einige Mitarbeiter, die diese Veränderung nicht mittragen konnten, sagte Johannes Hornig. Für ihn brachte der neue Miteigentümer aber durchaus auch viele Möglichkeiten, Innovation ins Unternehmen zu bringen, das Unternehmen neu zu positionieren, aber auf der traditionsreichen Marke aufzubauen und sie zu „verjüngen“. Auch bei Hornig gäbe es aus der Tradition heraus lange Firmenzugehörigkeiten und manchmal wünsche er sich mehr Input seitens seiner MitarbeiterInnen, meinte er. Die Hierarchie im Unternehmen sei recht flach geworden, um genau das Einbringen der Menschen zu fördern. Manchmal wäre es aber auch gar nicht so den Internas in einem Unternehmen zu schulden, dass Innovation schwergemacht würde, meinte Hornig. Österreichs Regulative würden Innovation auch nicht gerade fördern – im Vergleich zu vielen anderen Ländern, wo Unternehmern Veränderungen oder Neuerungen leichter gemacht würden.

Die Aufgabe der Führung im Umgang mit Traditionen.

Das Alte und Bestehende im Unternehmen wertzuschätzen und darauf aufzubauen, ist die Aufgabe der Führung. Eine Unternehmenskultur, die stark von einer lang etablierten Tradition geprägt ist, lässt Junge und Ältere an Fronten geraten. Es braucht dazu auch die Bereitschaft der erfahrenen Generation, sich zu öffnen und Arbeit und Tun auch aus anderen Blickwinkeln zu betrachten sowie den neuen Sichtweisen der jungen MitarbeiterInnen Raum zu geben, Alt und Jung voneinander lernen zu lassen.

Traditionen sind wichtig, vor allem, wenn es um eine stabile Zukunft geht. Und dann stellt sich vor allem auch die grundsätzliche Frage: wo wollen wir als Unternehmen hin und aus welchem Geist heraus soll das passieren? Ein klare Kommunikation über die Sinnhaftigkeit mancher Veränderungen wäre ein essenzieller Bestandteil im Umgang mit dem Brechen von Traditionen. Die Unternehmen, die eine ausgewogene Balance zwischen beiden schaffen sind wahrscheinlich die erfolgreichsten. Dieser Ansicht waren sich alle unsere Podiumsgäste einig.

Karin Weigl

Fotocredit: Eigenproduktion, Simone Rack, 4dimensions GmbH

Das Frühwarnsystem im Unternehmen

Ein Gastbeitrag von Dr. Birgit Feldhusen.

In unseren Leadership Breakfasts diskutieren wir zentrale Begriffe aus unserer Arbeitswelt. Warum war die ‚Sensibilität‘ Thema bei einem Frühstück? Warum ist sie auf der Liste der Begriffe gelandet, die für eine neue Führungswelt angereichert oder umgedeutet werden müssen? Ist Sensibilität nicht das, was uns verletzbar macht und demzufolge das Gegenteil dessen, was als Kompetenz der Zukunft hoch gehandelt wird? Resilienz?

Wie im Aquarium, so im Unternehmen.

In einer der ersten Statements unserer Frühstücksrunde erfuhren wir sofort, dass im ökologischen System eines Aquariums die Sensiblen zuerst sterben, wenn das System aus der Balance gerät. Das regte an, den Begriff näher zu definieren. Sensitivität = Sensibilität = Vulnerabilität?

Keineswegs! Sensibilität bezieht sich zunächst einmal auf die reine Wahrnehmung, auf die Feinheit der Einstellung unseres Wahrnehmungsapparates. Wie wir dann mit den Inhalten der Wahrnehmung umgehen, ist eine zweite Sache. Damit unser Gehirn möglichst viel Energie spart, neigen wir Menschen dazu, die Inhalte unserer Wahrnehmung in bereits bestehenden Kategorien zu verarbeiten. So reagieren wir in bestimmten Situationen nach bestehenden Mustern, und in einigen eben sehr emotional. Eine sensible, also fein eingestellte Wahrnehmung nimmt schlicht und einfach mehr wahr, es muss mehr verarbeitet werden. So treten auch Verarbeitungsresultate wie emotionale Reaktionen häufiger auf und sensible Menschen werden von außen irrtümlicherweise als grundsätzlich verletzlich(er) – als ‚Mimosen‘ – eingestuft. Die Art der Reaktion auf bestimmte Wahrnehmungen – emotional verletzt oder resilient – hängt aber nicht von dem Maß der Sensibilität ab, sondern von den gemachten Vorerfahrungen und bestehenden Verarbeitungsmustern. Hochsensible können unsensibel reagieren und vice versa.

Kann/ soll man sich abhärten?

Dies warf die Frage auf, ob es möglich sei, die eigene Toleranzschwelle zu erhöhen, sprich die geistigen und seelischen Reaktionen ‚abzuhärten‘, wie man es auch mit körperlichen Reaktionen tun kann. Hier wurden Beispiele genannt wie das Kältempfinden oder die Toleranz Giften gegenüber.

Zum einen wurde diskutiert, dass im Grunde jede Erfahrung, auch jedes Trauma, eine Form der ‚Abhärtung‘ ist, wenn sie gut verarbeitet wird. Seine eigenen Verarbeitungskategorien (kognitive Muster, Werte, Einstellungen) zu erforschen und eventuell anzupassen ist also eine äußerst nützliche Übung im Hinblick auf Resilienz. Das gilt für alle Menschen, aber in besonderem Maße für sensible Menschen. Es sorgt dafür, dass wir selbst besser über unsere Reaktionen entscheiden können.

Differenzierung ist wichtig.

Zum anderen gilt es im Auge zu behalten, dass die Gesamtbelastung gewisse Grenzen nicht überschreitet. Sonst kann es zu verschiedenen Stadien der Überreizung bis zu einem völligen ‚Shut Down‘ des Wahrnehmungssystems kommen. Hier hilft ein augeprägtes Differenzierungsvermögen: was ist wichtig? Was nicht? Auch hier sind die Bandbreiten für sensible Menschen schneller erreicht.

Großes Potenzial für Unternehmen.

In einer hochdynamischen Welt, die von Unternehmen ein ständiges Beobachten des Umfeldes und eine entsprechende Anpassung verlangt, können die Sensiblen das Frühwarnsystem eines Unternehmens im Hinblick auf Entwicklungen, Chancen, Risiken, Kundensituationen und interne Stimmmungslagen sein. Wie im Aquarium reagieren sie zuerst auf Dysbalance oder können feinste Wahrnehmungssplitter zu einer wichtigen Essenz und Erkenntnis zusammenfügen, die in keiner Markanalyse steht.

Zukunftskompetenz.

Nur muss es Mechanismen geben, die dafür sorgen, dass diese Sensoren nicht ‚als erstes sterben‘, d.h. das Unternehmen verlassen oder in einer Überbelastung resignieren.  Es geht wieder einmal um das Thema Diversity und ihren Nutzen im Hinblick auf die Bewältigung von Herausforderungen. Es geht um die Akzeptanz und Wertschätzung der Unterschiedlichkeit von Menschen, diesmal in der Ausprägung unterschiedlicher Wahrnehmungsfähigkeiten.

Sensibilität bzw. eine gesteigerte Wahrnehmungsfähigkeit, wird in Zukunft sinnvollerweise nicht als ‚störendes Merkmal von Mimosen‘ verurteilt, sondern gezielt, als wichtige Kompetenz zur Zukunftsgestaltung  gesucht, eingesetzt und im Hinblick auf emotionale Reagibilität bzw. Resilienz geschult und unterstützt werden. Sensibilität ist eine wichtige Zukunftskompetenz.

Dr. Birgit Feldhusen

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Führung & Gärtnern.

oder: Tradition und Zeitgeist kontra Zeitlosigkeit der Gesetzmäßigkeiten der Natur.
Ein Gastbeitrag von Dr.in Monika Kerbl.

Mitten im Winter  “der Garten” als Thema?
Erster Einwand: Das ist gegen den Trend, da fehlt die Aktualität.
Weitere  Bedenken: Reicht da meine Vorstellungskraft, dass ich mich in das, was ich beim Gärtnern erlebe, hineindenken kann? Und können in der dunklen und kalten Zeit inspirierende Bilder in den Köpfen der Leserinnen und Leser entstehen? Andererseits – die Wintersonnenwende ist Ursprung der Tradition eines Festes, wo ein grüner Baum die Zuversicht symbolisiert, dass auf die kahle Zeit eine Periode des lebendigen Blühens und Fruchtens folgt.

Gestalten.

Als ich vor sieben Jahren einen Garten übernahm, erlebte ich diesen Übergang intensiv.
Es war  mitten im Winter. Der Garten, den ich aus dem Sommer in üppiger Pracht in Erinnerung hatte, wirkte kahl und leblos. In diesem Stadium ist die vorrangige Führungsaufgabe das Gestalten, dafür braucht es im Garten Vorstellungsvermögen und Einblick in größere Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur. Ich lernte ein organisch aus den Gegebenheiten entstehendes Planen, fern von Wunschdenken, kennen.

Vorstellungsvermögen und Einblick.

Wahrnehmend ging ich durch den Garten, ließ Vorstellungsbilder entstehen und auf mich wirken. Jede Pflanzenart hat ihre spezifischen Bedürfnisse. Darüber hinaus gibt es Wechselwirkungen zwischen Pflanzengattungen. Ein harmonisches Ganzes aufzubauen setzt Klarheit über die Ziele im Garten voraus – Nutzpflanzen, Zierpflanzen, Erholungsoasen? Ein besonderes Fachbuch half mir, ganzheitliche Grundlagen fürs Gärtnern zu entwickeln – und dabei mein Verständnis für Führungsverantwortung zu vertiefen:

“In den Gärten des Managements: Für eine bessere Führungskultur” von Matthias Nöllke, erschienen als Haufe Sachbuch Wirtschaft.

Das Buch beginnt damit, den Garten als gestaltete Natur zu begreifen, und mit der grundsätzlichen Zugewandtheit zum Leben in seiner überbordenden Vielfalt. Gedanken, die zu zeitlosen und aktuellen Fragen anregen:

Sichtweisenwechsel.

Haben Sie die Organisation, in der Sie wirken, schon einmal als gestaltete Natur betrachtet? Und wenn ja, was folgt für Sie daraus? Wie gehen Sie mit Komplexität und Unvorhersehbarem um? Die “VUCA-Welt” (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit) ist im Organisationszusammenhang ein aktuell heiß diskutiertes Thema, im Garten alltägliche Erfahrung. Das Buch beleuchtet Themen wie “Nachhaltig führen”, was vielleicht nahe liegt, doch auch  “Mitarbeiter fördern”, “Innovationsräume schaffen” und  “Individualität schützen” in Analogien aus dem Erfahrungsschatz des Gärtnerns.

Zum Beispiel bei “Individualität schützen” zeigt die Form eines “Senkgartens” u.a. folgende Anliegen auf:

Erstens: Sensiblen Gewächsen, nämlich den “kreativen Individualisten” und den “weichherzigen Gemütsmenschen”, einen Schutzraum bieten, vor Wetterunbillen und vor anderen Pflanzen. “Geben Sie komplizierten Menschen eine Chance” steht da als Tipp, im krassen Widerspruch zu den gängigen Stelleninseraten, die auf “hohe Leistungsbereitschaft” abzielen oder vor allem “Belastbarkeit” suchen. Der Wert der sensiblen Gewächse kann in ihrem Potential als Hidden-Champions liegen, oder in ihrer freundlichen Art, die den Boden verbessert, aus dem andere ihre Kraft beziehen, meint der Autor.
Und weiter: “Natürlich genügt nett sein allein nicht”, doch es ist ein deutliches Signal an andere, wenn die Ehrlichen und Hilfsbereiten mal nicht “die Dummen sind”.

Zweitens: Unter den “Charakterpflanzen” findet sich dann der Rittersporn: schön, empfindlich und hochgiftig. Seine Besonderheit: Er kann Nähe zu Seinesgleichen nicht gut ertragen und gedeiht nur auf Boden, der dieser Gattung immer wieder frisch zur Verfügung gestellt wird. Er steht symbolisch für einen Mitarbeiter-Typus auffälliger Leistungsträger, die Ihre Hochleistung unter der Voraussetzung erbringen, dass sie die volle Unterstützung ihrer Vorgesetzten haben, die sie insbesondere von störenden Einflüssen abschirmen.

Kooperation ohne Incentives.

Spätestens bei diesem Punkt erkannte ich, der Anspruch an Führung im Stile des Gärtnerns ist hoch, denn: Pflanzen sind “kooperativ” in einem besonderen Sinne: Sie folgen verlässlich ihrer Bestimmung, wie diese in ihrem Samen angelegt ist. Wo die Umfeld-Bedingungen für die Pflanze passen, leistet sie ihren Beitrag. Incentivierung spielt keine Rolle, Druck ebenso wenig. Pflanzen “spiegeln” durch die Ergebnisse die Kompetenz der Gartenführung.

Das Buch bewirkte aber noch mehr, als mir Einsichten mitzugeben: es regte mich an, darüber hinaus eigene Analogie-Gedanken während der Gartenarbeit anzustellen.Zum Beispiel erkannte ich bald, dass sich in der “stillen Winterperiode” unter der Schneedecke sehr wohl etwas tut, in der Winterruhe bereitet die Natur den Frühling vor. Das junge Grün drängt kraftvoll hervor, sobald die Temperaturen milder werden. Die Aufgabe des Gärtners ist es dabei, Raum zu schaffen, die Überreste der vergangenen Wachstumsperiode, die in der Kälte noch als Schutz für die Wurzeln dienten, zu entsorgen. Während ich die Erdbeertöpfe von abgestorbenen Blättern befreite, kam mir eine Organisation in den Sinn, mit der ich zu tun hatte. Mir schien dort die Weiterentwicklung bzw. Neuentwicklung von Angeboten zu kurz zu kommen. Lag es etwa gar nicht an einem Mangel an kreativen Fähigkeiten? Fehlten nicht vielmehr Voraussetzungen wie das Ausräumen von in der Vergangenheit bewährten jedoch nicht mehr fruchtbaren Strukturen? Oder wären Auszeiten hilfreich?

Gärtnern und die “Gärten des Managements” hatten ihre Wirkung auf mich: Ich war eine immer besonders offen für innovative Trends und Ansätze, doch manchmal ungeduldig mit Sichtweisen wie “das war schon immer so”. Inzwischen bin ich auf Traditionen wie auf neue Zugänge neugierig und bereit, zu hinterfragen, was an Einsichten über die unverändert wirkende Natur hinter den einen oder anderen steckt.

Monika Kerbl, Dr.in
Impulsgeberin & Mentorin

www.m-kerbl.link
Blog: https://mkerbl.wordpress.com/

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Die Früchte der Führung

In einem unserer Wiener Leadership Breakfasts haben wir den Begriff „Fruchtbarkeit“ näher beleuchtet und in Zusammenhang mit “Führung” gestellt. Dabei sind wir rasch in eine spannende Diskussion geraten.

Was hat Fruchtbarkeit mit Führung zu tun?

Diese Frage mag sich vielleicht aufdrängen. Fruchtbarkeit hat mit Samen säen zu tun. Ein Samen kann allerdings nur dann aufgehen, wenn der Boden dafür gut aufbereitet wurde. Der Boden muss fruchtbar sein, damit etwas wachsen kann. Damit eine Saat aufgeht, muss man sich um den Boden kümmern, man muss Steine entfernen, ihn umgraben, Erdschichten vermischen, Humus einbringen, ihn mit Mineralstoffen versorgen. Wasser und Sonne sind dann noch weitere Zutaten, damit etwas wachen kann. Es braucht eine Strategie, aber vor allem Hingabe und Geduld, etwas reifen zu lassen sowie Wille und Liebe. Vielleicht müssen auch manchmal Rückschläge in Kauf genommen werden, bevor geerntet werden kann. Nur den Fokus auf möglichst häufige Ernte zu haben laugt den Boden aus, es braucht also auch Ruhezeiten und ein Brachliegen.

Umgelegt auf eine Organisation und Führung bedeutet das, dass wir einen Kontext schaffen müssen, in dem Fruchtbares entstehen kann. Es braucht die richtigen Umstände, dass etwas geboren werden kann und es braucht eine individuelle, zur Organisation passende Strategie, einen Plan. Das, was geboren werden möchte, kann nicht erzwungen werden – ebenso wie in der Natur. Nicht jeder Boden ist für jede Pflanze gleich gut und nicht jedes Produkt oder jede Organisationsform für einUnternehmen. In Unternehmen sollten wir uns den Kontext ansehen, mit dem wir es zu tun haben und eine Umgebung schaffen, dass das, was aus der Organisation wachen will auch wachsen kann. Nicht jede Strategie ist für jedes Unternehmen geeignet – auch, wenn manchmal so gehandelt wird.

Was ihm blühen wird, weiß nicht mal der Gärtner

Und trotz bester und passender Strategie gehen sowohl in der Natur als auch in Unternehmen Samen auf, die niemand bewusst gesät hat, die „eingeschleppt“ wurden oder der Wind in unseren Garten getragen hat. Dann passiert Unvorhergesehenes, Ungeplantes. Aber ist das automatisch schlecht?

Der libanesische Autor Nassim Nicholas Taleb nennt solche unvorhergesehenen Ereignisse Schwarze Schwäne. Oft werden solche schwarzen Schwäne als unangenehm wahrgenommen, als Ereignisse, die negative Auswirkungen haben, weil sie vom Plan abweichen. Je komplexer ein System, desto wahrscheinlicher tauchen schwarze Schwäne auf. Schwarze Schwäne haben allerdings auch die Eigenschaft, etwas Neues, Unerwartetes hervorzubringen, dessen Nutzen meist erst später erkannt wird, weil etwas anderes geplant war. Bekannte Beispiele solcher schwarzen Schwäne sind die Erfindung der Post-Its, Viagra, oder auch die Entdeckung Amerikas.

Zurück zur Fruchtbarkeit:

Kann Fruchtbarkeit auch ein Fluch sein?

Was passiert, wenn immer jede Saat aufgeht? Wenn immer alles funktioniert? Wir waren uns einig, dass dann keine Erfahrung des Scheiterns und damit des Erfahrung-Machens möglich wäre. Wenn immer alles funktioniert verliert Erfolg wahrscheinlich auch über kurz oder lang seinen Wert. Und die Menschen würden folglich vielleicht sogar überheblich werden. Was uns wieder zurück zum Boden bringt und dazu, auf dem Boden zu bleiben.

Alles was gegen die Natur ist, hat auf die Dauer keinen Bestand.“

meinte Charles Darwin schon vor gut 150 Jahren. Und wir Menschen versuchen tagein tagaus dieses Statement zu widerlegen. Wenn wir Menschen beispielsweise keine Nachkommen zeugen können, beginnen wir „herumzudoktern“: wir beschäftigen uns mit Varianten der künstlichen Befruchtung, in manchen Ländern auch mit Leihmutterschaft. Wir beginnen in den natürlichen Lauf der Natur einzugreifen. Die Frage, „Warum geht es nicht?“ erzeugt Unsicherheit und oft wollen wir ein “Geht-nicht” nicht akzeptieren. Auch im Business nehmen wir Einfluss und versuchen alles, um Erfolg und Ernte einzufahren.

Dort, wo der Mensch in den Lauf der Natur eingreift und die Führung übernimmt, muss er auch dranbleiben und sich kümmern. Als Beispiel brachte eine Teilnehmerin unseres Leadership Breakfasts eine Orangeplantage. Sie hatte selbst gesehen, was passiert war, als die Plantage – also eine künstliche, auf Profit ausgerichtete Monokultur – weiterhin Orangen produzierte, die allerdings niemand mehr erntete. Die Plantage lag nach der Teilung Zyperns im Niemandsland. Das war in den frühen 1980iger Jahren.  Die Orangen fielen irgendwann überreif zu Boden und verfaulten und verschimmelten. Auf den Bäumen wuchsen neue Orangen und weil wieder niemand erntete, fielen auch diese zu Boden und verrotteten. Jahr für Jahr ging das so weiter, mit dem Ergebnis, dass der Landstrich mit einer weißen Schimmelschicht überzogen war und man beim Durchfahren mit dem Auto die Fenster schließen musste: viel Fruchtbarkeit, die allerdings keinen Nutzen hatte…

Das richtige Maß

Fruchtbarkeit und Ernteerfolg ist also auch immer eine Frage des richtigen Maßes – und des Ziels, das damit verfolgt wird. Fruchtbarkeit oder Wachstum ist nicht immer eine gute Sache. Manchmal ist es besser, wenn etwas nicht funktioniert oder „zurückgebaut“ werden muss oder am Ende etwas ganz anderes herauskommt. Womit wir wieder bei den Erfahrungszyklen wären.

Dort, wo der Mensch eingreift und die Führung übernimmt, muss er also dranbleiben. Um Fruchtbares zum Wohle aller entstehen zu lassen braucht es vor allem Vertrauen und das richtige Maß zwischen Strategie und Loslassen, zwischen steuern und geschehen lassen.

karin weigl

Fotocredit: fotolia.com #120832183 © Josip Matic

Ethische Zielfunktionen…

…oder was es braucht, damit Künstliche Intelligenz zum Wohle aller Nutzen stiften kann.


Ein Gastbeitrag von Petra Augustyn, Kennerin der Künstlichen Intelligenz,
www.ktschng.com

“Würde eine überlegene außerirdische Zivilisation die Botschaft senden „Wir werden in wenigen Jahrzehnten ankommen!“, würden wir dann einfach antworten: “Okay, sagt uns Bescheid, wir lassen dann mal das Licht an.“? Vermutlich nicht. Aber genau so gehen wir und so manche Politiker mit Künstlicher Intelligenz um.”
                                               Stephen Hawking, britischer Physiker und Astrophysiker

Wir würden uns auf eine außerirdische Intelligenz vorbereiten – und das in der Gemeinschaft. Warum dann nicht auch auf eine Künstliche? Wenn eine superintelligente Maschine je existieren sollte, dann wären die Implikationen für die Menschheit immens. Selbst wenn nur eine sehr geringe Chance besteht, dass derartige Maschinen in absehbarer Zeit entwickelt werden könnten, ist es wichtig, dass wir anfangen, ernsthaft über die Natur und die Implikationen nachzudenken.

Ethische Zielfunktionen

Shane Legg, einer der Gründer von Deep Mind, entwickelte ethische Zielfunktionen, um bestimmten, ungewünschten Tendenzen entgegenzuwirken. Er empfiehlt den Regierungen, ethische Richtlinien in den Verfassungen festzuschreiben. Künstliche Intelligenz sollte staatlich beaufsichtigt werden, wie Atomkraft, um sich optimal zum Wohle aller nutzen zu lassen.

Hier einige Ansätze aus diesen ethischen Zielfunktionen:

  • Die Menschenwürde muss auf die persönlichen Daten erweitert werden
  • Grundrechte für Datensubjekte (also den Menschen, die KI-Systeme nutzen – im Unterschied zu Datenobjekten, den PCs, und Maschinen)
  • Verkauf persönlicher Daten an Dritte ist zu verbieten, oder es müssen entsprechende Gegenleistungen geboten werden.
  • Die Privatsphäre muss unantastbar und sensorfrei bleiben, es sei denn einem Datenabgriff wird explizit zugestimmt.
  • Es müssen internationale Algorithmen-Abkommen geschlossen werden, die ausländischen Organisationen den Zugriff auf persönliche Daten nur aufgrund von expliziten Gesetzen, Beschlüssen, Verträgen gestatten.
  • Der Export von Spähsoftware muss verboten werden.
  • KI Forscher müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein, die eigene Geschichte verstehen und Aufklärungsarbeit leisten.
  • Aufklärung über Daten gehört in den Schulunterricht
  • Die Sensibilität der gesamten Bevölkerung zum Thema muss erhöht werden.
  • Zivile Organisationen sollten die technologische Revolution nicht jenen überlassen, denen die Demokratie gleichgültig ist, oder die sie als Hemmnis beachten.
  • Und das aller Wichtigste: eine nichtstaatliche Organisation muss dieses Thema anpacken und   auf die Agenda setzen

In einem Blog-Interview anlässlich des Confare Event #Digitalize 2016 – Industrial Innovation, habe ich auch Stellung zu gesellschaftlichen und ethischen Fragestellungen und den Zielfunktionen genommen. Mehr dazu auch hier: http://confare.at/kuenstliche-intelligenz-und-robotik-ist-der-mensch-ersetzbar/

Ohne Blick in die Glaskugel

Was uns jedenfalls bis 2040 ins Haus stehen könnte – ohne in die Glaskugel blicken zu wollen – sind

  • Automobile ohne Fahrer
  • Intelligente Zeitungen (durch flexibles elektronisches Papier)
  • Internet Kontaktlinsen (Virtual Retinal Display)
  • persönliche Roboterassistenten
  • Roboterchirurgen, die knifflige Handgriffe bei Operationen erledigen, die der Mensch nur schwer ausführen kann (bei Operationen am Gehirn zum Beispiel)
  • Telepathie, Brain Gate etc. etc.
  • Quantencomputer

Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt in ihrer Studie aus 2017, dass sich mit der Automation von Wissen bis 2025 neun Billionen Dollar verdienen lassen. Die Schlüsseltechnologie dazu ist Künstliche Intelligenz. Mit Robotik, die ohne KI nur ein Haufen Blech wäre, prognostiziert man nochmalsechs Billionen und mit selbstfahrenden Autos weitere vier Billionen.

Roboter mit Gefühlen

Wissenschaftler verstehen mittlerweile das wahre Wesen und die Wichtigkeit der menschlichen Emotion. Gefühle sagen uns, was gut für uns ist und was nicht. Tatsächlich haben sich all unsere Emotionen im Laufe von mehr als 100.000 Jahren entwickelt, um uns vor den Gefahren einer feindlichen Umwelt zu schützen, uns zu helfen und uns fortzupflanzen. Gefühle sind also ein wichtiger Wert, um Entscheidungen darüber zu treffen, was wichtig, teuer, billig, hässlich oder hübsch und kostbar ist. Daher verstehen Wissenschaftler mittlerweile, dass Gefühle kein Luxus sind, sondern ein unabdingbarer Indikator für Intelligenz.

Roboter mit Gefühlen könnten eine Sache von Leben und Tod sein: ein Rettungsroboter wird vorgeschickt, wenn es um Erdbeben, Explosionen etc. geht. Diese Roboter werden eine Vielzahl von Werturteilen treffen, in Hinblick auf wen oder was sie retten und in welcher Reihenfolge. Sie werden lernen müssen Prioritäten zu setzen. Ethische Zielfunktionen für derartige Entscheidungen werden dann nicht von Informatikern erarbeitet werden, sondern im Vorfeld von Philosophen, Theologen, Soziologen und Psychologen. Politiker werden die Aufgabe haben, ethische Zielfunktionen in die Verfassungen zu bringen. Denn: künstliche Intelligenz muss staatlich geregelt sein, um einen optimalen Nutzen stiften zu können. Zum Wohle aller.

Petra Augustyn, Expertin für Künstliche Intelligenz und Entreprenesse, www.ktschng.com

Fotocredit: Fotolia.com #70987133 © Inok

Laufend frisches Fischfutter erhalten.

Willst du auch laufend mit frischem Leadership-Fischfutter versorgt werden statt nur mit Fliegen zu fischen?

Dann wirf hier dein eMail-Netz aus und lass dich überraschen, welchen Fang du an Land ziehen wirst. Wir versprechen Leadership-Inhalte mit Tiefgang statt seichter Themen. Denn wer nur an der Oberfläche bleibt, weiß nicht, was darunter schwimmt. Um in stürmischen Zeiten gemeinsam auf der Welle zu schwimmen, laden wir auch regelmäßig zu unseren Leadership Dialogen ein. Angebissen?

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